Die richtige Wahl für ein Präzisionswerkzeug
Abgestimmte Premium-Werkzeuge für effiziente Zerspanung
Anfangs Triebwerken und Airframes militärischer Aufklärungsflugzeuge vorbehalten, ist Titan heute dank seiner herausragenden Eigenschaften längst fester Bestandteil unseres Alltags. Eingesetzt wird es vor allem in Hightech-Anwendungen und Luxusprodukten – von Bauteilen in zivilen Luftfahrzeugen über Smartphone- und Laptopgehäuse, Sportgeräte wie Golfschläger sowie Uhren und Schmuck bis hin zu medizinischen Implantaten. Die Bearbeitung des Leichtmetalls hat allerdings ihre Tücken. Mit den richtigen Bearbeitungsstrategien und abgestimmten Zerspanwerkzeugen sind jedoch auch hier wirtschaftliche Prozesse möglich.
„Titan ist eine Art ‚Superwerkstoff‘“, so Prof. Dr.-Ing. Jan Dege, Professor für Produktionstechnik am Institut für Produktionsmanagement und -technik (IPMT) der Technischen Universität Hamburg (TUHH). „Gerade bei Leichtbaukonstruktionen wie Strukturbauteilen in der Luftfahrt stehen Titanlegierungen wegen des günstigen Verhältnisses von Festigkeit zu spezifischem Gewicht hoch im Kurs. Das Leichtmetall ist fast so fest wie vergüteter Stahl, dabei aber über 40 Prozent leichter. Zudem ist Titan hochwarmfest und sehr korrosionsbeständig. Eine Oxidschicht passiviert das Metall und verleiht ihm so die hohe Korrosionsbeständigkeit gegenüber aggressiven Medien wie chlorhaltigen Gasen, Meerwasser, Alkalilaugen, Alkohol und kalten Säuren. Ein weiterer unschätzbarer Vorteil ist die Biokompatibilität. Implantate aus Titan lösen in der Regel keine immunologischen Abstoßungsreaktionen aus.“
Dabei ist Titan ein noch relativ junger Werkstoff. Es wurde 1791 von dem Engländer William Gregor entdeckt und konnte erst ab 1944 in größerem Maßstab hergestellt werden. Seitdem hat es den Siegeszug um die Welt angetreten. Vor 20 Jahren wurden weltweit etwa 60.000 t metallisches Titan verarbeitet, vor zehn Jahren waren es schon 143.000 t und heute schätzt man die Verbrauchsmenge auf knapp 300.000 t. Darüber hinaus ist Titan kein seltenes Metall: Es ist mit einem Anteil von 0,565 Prozent das neunthäufigste Element in der Erdkruste. Damit ist es grundsätzlich gut verfügbar.
Energieintensive Herstellung
Warum wird es dann oft nur bei Hightech- und Luxus-Anwendungen eingesetzt? „Titan ist sehr teuer. Das liegt an dem aufwendigen Herstellungsprozess“, erklärt Jan Dege. „Der Werkstoff kommt kaum in reiner, metallischer Form vor. Er muss aus den Mineralien Ilmenit oder Rutil mit Hilfe des energieintensiven Kroll-Prozesses gewonnen und durch mehrmaliges Umschmelzen zu einem technisch verwertbaren Metall weiterverarbeitet werden. Dadurch erfordert die Herstellung der Titanlegierung Ti-6Al-4V pro kg zirka 108 kWh. Das ist sechsmal so viel Energie wie bei der Herstellung von Aluminiumlegierungen (17 kWh/kg). Dementsprechend hoch ist nicht nur der Rohstoffpreis, sondern auch der CO2-Fußabdruck von Titan.“
Damit ist das Recycling von Titan wirtschaftlich und ökologisch ausgesprochen sinnvoll. Hier gibt es jedoch Probleme: Zahlreiche Titanbauteile werden heute aus Plattenmaterial oder Freiformschmiedehalbzeugen gefräst, besonders in der Luft- und Raumfahrtindustrie. Oxidation, Kühlschmierstoffrückstände, Fremdmetalle und Werkzeugpartikel verunreinigen beim Zerspanprozess die Titanspäne stark, was das Recycling erschwert. Deswegen gelangen die Späne oft als Zuschlagsstoff in die Stahlherstellung, statt hochwertig recycelt zu werden. Sortenreines Titan wiederum kann wieder vollständig dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden. Das Recycling erfolgt durch Umschmelzen, oft zusammen mit originärem Titan aus dem Kroll-Prozess.
Anspruchsvolle Zerspanung
Ein weiterer Grund für den begrenzten Einsatz von Titan liegt in der herausfordernden Bearbeitung: Titan gehört zu den schwer zerspanbaren Werkstoffen. Die erste Hürde bei der Zerspanung ist eine Kombination aus hoher Zugfestigkeit und geringer Wärmeleitfähigkeit. Erstere führt zu hohen mechanischen Spannungen an der Werkzeugschneide, das Zweite zu einer ausgeprägten thermischen Belastung des Werkzeuges. Denn anders als bei Stahl wird die Wärme nur wenig über Werkstück und Späne abgeführt. Bei gleichen Schnittgeschwindigkeiten sind die Temperaturen beim Bearbeiten von Titan teils doppelt so hoch wie beim Zerspanen von Stahl. „Um die thermische Belastung des Schneidkeils zu reduzieren, werden die Schnittgeschwindigkeiten meist auf vc = 60 – 90 m/min reduziert. Darüber hinaus führt der relativ geringe Elastizitätsmodul zu einer Rückfederung an der Freifläche und so zu zusätzlicher Reibungswärme. Dies schränkt die Produktivität der Zerspanprozesse deutlich ein“, so Jan Dege.
Manfred Weigand, Produktmanager Round Tools bei CemeCon, ergänzt: „Die Neigung von Titan zu Adhäsionen insbesondere bei hohen Temperaturen erschwert die Zerspanung weiter. Kaltaufschweißungen von Titan haften an den Werkzeugschneiden. Werden sie mit dem nächsten Span heruntergerissen, löst sich nicht nur die Adhäsion, sondern ggf. auch ein Stück der Beschichtung und des Substrats. So kommt es zu Mikroausbrüchen an der Schneidkante, die im schlimmsten Fall zum Werkzeugausfall führen, aber zumindest erhöhten Verschleiß bedeuten.“
Zudem ist Titan nicht gleich Titan: In der Luft- und Raumfahrt kommen neben der weit verbreiteten α-β-Legierung Ti-6Al-4V auch verstärkt near-β-Legierungen wie Ti-5Al-5Mo-5V-3Cr oder Ti-10V-2Fe-3Al zum Einsatz. Diese führen aufgrund ihrer hohen Festigkeit und Warmhärte im Vergleich zu Ti-6Al-4V zu noch höherem Werkzeugverschleiß und bedingen eine weitere Reduzierung von Schnittgeschwindigkeit und Vorschub. Und beispielsweise in der Medizintechnik und Implantologie werden wieder andere Titanlegierungen verwendet.
Alle Parameter genau abstimmen
In der Summe klingen die großen Herausforderungen bei der Zerspanung von Titan erst einmal abschreckend. Wer jedoch alle Parameter kennt, hat enorme Vorteile. Die feine Abstimmung von Hartmetallsubstrat, Werkzeuggeometrie, Beschichtung und CNC-Prozessauslegung auf die eingesetzte Legierung und die Werkzeugmaschine sorgt für wirtschaftliche Bearbeitungsprozesse.
Prof. Dr.-Ing. Jan Dege, Professor für Produktionstechnik am IPMT der TUHH
Der Beschichtung als „Schutzhülle“ des Zerspanwerkzeugs kommt hier besondere Bedeutung zu. Gerade siliziumhaltige Beschichtungen heben sich bei der Bearbeitung von Titan von anderen Lösungen ab. Ein Beispiel sind Beschichtungen auf der Basis des HiPIMS-Schichtwerkstoffs SteelCon®. Dazu Manfred Weigand: „SteelCon® isoliert hervorragend gegen Hitze, lässt kaum Wärme ins Werkzeug. Das ist gerade bei Materialien von Vorteil, die selbst sehr schlechte Wärmeleiter sind, wie beispielsweise Titan. Ohne SteelCon® würden die hohen Temperaturen, die beim Bearbeiten der harten Werkstoffe unweigerlich entstehen, das Hartmetall verspröden und somit das Werkzeug schädigen.“
Ausblick: Fertigung optimieren
Um den CO2-Fußabdruck bei der Herstellung von Titanbauteilen zu verkleinern, Ressourcen zu schonen und wirtschaftlicher zu produzieren, setzt gerade die Luft- und Raumfahrt heutzutage vermehrt endkonturnahe Halbzeuge ein. Dabei handelt es sich sowohl um Präzisionsschmiedeteile als auch vermehrt um additiv gefertigte Halbzeuge.
E-Mobilität: Neue Wege in der Aluminiumzerspanung
Für die E-Mobilität fallen weit weniger Zerspanaufgaben an als im klassischen Automobilbau. Hinzu kommt, dass hauptsächlich Aluminiumlegierungen bearbeitet werden. „Auf die Anforderungen abgestimmte Werkzeuge sind die Lösung, um sich hier Marktanteile zu sichern. AluCon®-beschichtete Wendeschneidplatten können dabei eine gute Alternative zu unbeschichtetem Hartmetall darstellen“, ist Inka Harrand überzeugt. Praxisbeispiele zeigen, dass sich beim Fräsen von Aluminium mit AluCon® die Neigung zu Aufbauschneiden deutlich vermindert und dadurch die Standzeit der Wendeschneidplatten verlängert wird.
IPMT der TUHH
Das Institut für Produktionsmanagement und -technik (IPMT) der Technischen Universität Hamburg widmet sich der Erforschung grundlegender Produktionsherausforderungen und der Entwicklung von Modellen, Methoden und Verfahren für die industrielle Anwendung. Die beiden Abteilungen des Instituts arbeiten dabei eng zusammen. Der Bereich Produktionsmanagement konzentriert sich insbesondere auf die Organisation von Produktionsprozessen. In der Produktionstechnik werden innovative Prozesse zur spanenden Bearbeitung moderner industrieller Werkstoffe, wie beispielsweise CFK und Titan, erforscht, wobei das Institut vor allem durch seine Kapazitäten für die Zerspanung großer Werkstücke hervorsticht.
Seit 2022 ist Prof. Dr.-Ing. Jan Dege Inhaber des Lehrstuhls für Produktionstechnik. Zuvor war er in verschiedenen leitenden Positionen bei der Premium AEROTEC GmbH beschäftigt, wo er für die Entwicklung und Auslegung von Werkzeugen, Prozessen und Maschinen für die Hochleistungsbearbeitung von Strukturbauteilen für die Luftfahrt zuständig war – und oft als Schnittstelle zwischen universitärer Forschung und industrieller Anwendung fungierte. Zu seinen aktuellen Forschungsgebieten gehören spanende Fertigungsprozesse insbesondere für die Luftfahrt, wie z.B. manuelles und semi-automatisches Bohren in Werkstoffverbunde (CFK, Aluminium, Titan), Besäumen und Schleifen von Bauteilen aus Faserverbundkunststoffen und Hochleistungsfräsen von Aluminium- und Titanlegierungen. Zudem ist er im Vorstand des Manufacturing Innovations Network (MIN) und Gutachter für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF).